7. November 2017 Diskussion/Vortrag Zionismus, Kolonialismus und Postkolonialismus in Deutschland

Ambivalenzen im Zionismus III

Information

Veranstaltungsort

Institut für die Geschichte der deutschen Juden
Beim Schlump 83
22799 Hamburg

Zeit

07.11.2017, 18:30 - 20:30 Uhr

Themenbereiche

Deutsche / Europäische Geschichte, Erinnerungspolitik / Antifaschismus, Palästina / Jordanien

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Seit langem wird darüber gestritten, ob es sich beim Zionismus um eine Form des Kolonialismus handelt. Während ein Großteil dieser Auseinandersetzungen polemisch-politischer Natur sind, gibt es auch eine seriöse wissenschaftliche Debatte um diese Frage. Allerdings leidet auch diese unter der Tendenz, den Zionismus entweder rundweg dem europäischen Kolonialismus zuzurechnen oder aber jede Verbindung zwischen beiden zu bestreiten. Ein Blick auf die Geschichte des deutschen Zionismus zeigt, dass es so einfach nicht ist. Das Verhältnis des Zionismus zum Kolonialismus stellt sich aus dieser Perspektive als ein höchst ambivalentes dar, dessen Komplexität sich am besten mit Hilfe postkolonialer Konzepte erfassen lässt.

 

Der Vortrag untersucht zunächst die verschiedenen Formen der Bezugnahme der deutschen Zionisten auf den deutschen Kolonialismus vor 1918. Versuche, sich diesen für die eigenen Ziele nutzbar zu machen, bis hin zur Erwirkung einer "deutschen Balfour-Deklaration", stehen dabei in einem Spannungsverhältnis zu Bemühungen um eine Distanzierung vom deutschen Kolonialismus. Im zweiten Teil stehen die Vorstellungen deutscher Zionisten über den Charakter des in Palästina aufzubauenden jüdischen Gemeinwesens und über das Verhältnis der Juden zu den palästinensischen Arabern im Mittelpunkt. Am Beispiel Martin Bubers, des wohl wichtigsten intellektuellen Kopf des deutschen Zionismus der Zwischenkriegszeit, soll gezeigt werden, wie sich hier orientalistische Vorstellungen mit solchen der Selbst-Orientalisierung, der Identitätspolitik und der subalternen Selbstermächtigung verbanden.

 

Stefan Vogt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Buber-Professur für jüdische Religionsphilosophie und Privatdozent für Neue Geschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zu seinen neuesten Veröffentlichungen gehören: Subalterne Positionierungen. Der deutsche Zionismus im Feld des Nationalismus in Deutschland, 1890-1933 (Göttingen: Wallstein Verlag, 2016), sowie The Postcolonial Buber: Orientalism, Subalternity and Identity Politics in Martin Buber's Political Thought, in: Jewish Social Studies 22 (2016)

 



2017 jähren sich zwei Zäsuren der Geschichte des Zionismus:
1917 stellte der britische Außenminister Lord Balfour erstmals eine "jüdische Heimstatt" in Aussicht. Diese nach ihm benannte "Balfour-Erklärung" löste eine Euphorie aus und wurde zum Angelpunkt der zionistischen Agitation. Im deutschen Judentum blieb der Zionismus dennoch eine Minderheitenbewegung und erst ab 1933 wanderten zahlreiche deutsche Juden auf der Flucht vor den Nationalsozialisten dorthin aus.

 

1967, 50 Jahre später, folgte mit dem Sechs-Tage-Krieg ein weiterer Wendepunkt, der die Stellung Israels im Nahen Osten und auch die israelische Gesellschaft selbst fundamental veränderte. Neben den israelischen Schwarzen Panthern, die für die Rechte benachteiligter arabischer Juden stritten, war es die israelische sozialistische Organisation Matzpen, die innerhalb der israelischen Gesellschaft für große Aufregung sorgte - wegen ihrer kompromisslosen Kritik der Besatzung und ihrer Forderung einer sozialistischen Föderation von Juden und Arabern im Nahen Osten.

Die drei Vorträge dieser Reihe versuchen einen historischen Bogen zu schlagen von den Anfängen der zionistischen Euphorie 1917 bis zur Ernüchterung in Teilen der israelischen Linken nach 1967 und stellen dabei die Stimmen der deutschen und israelischen Jüdinnen und Juden in den Mittelpunkt.

 

In Kooperation mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden.

Gefördert durch die Landeszentrale für politsche Bildung Hamburg

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