Nachricht | International / Transnational - Westeuropa - Afrika - Globalisierung - Freihandel Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen

Die Ostafrikanische Gemeinschaft im Sog multilateraler Handelsliberalisierung. Eindrücke der Konferenz «Free trade at the crossroads», die in Brüssel stattfand.

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Andreas Bohne,

Im Oktober 2014 hat die Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community – EAC) ein regionales Wirtschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement – EPA) parafiert. Diesem Ergebnis gingen zwölf Verhandlungsjahre voraus, die schließlich infolge eines einseitigen Ultimatums der Europäischen Kommission überstürzt im September 2014 zum Abschluss gebracht wurden. Die aggressive Vorgehensweise der EU im Bereich Handelspolitik zeigt sich ebenso bei der Forcierung weiterer Freihandelsabkommen, insbesondere bei der Transatlantischen Freihandels Partnerschaft (TTIP).

Um den Verhandlungsprozess und die potentiellen Auswirkungen der EPAs und des TTIP auf die EAC zu diskutieren, kamen verschiedene AkteurInnen (NGOs, AkademikerInnen, ParlamentarierInnen aus Afrika und Europa) zum Austausch auf der Konferenz «Freihandel am Wendepunkt – Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft» in Brüssel, vom 18. bis 20. November 2014 zusammen.

Die EPAs als Rolls Royce?

Odour Ong’wen (SEATINI Kenya) verglich den Stand der EPA-Verhandlungen in Ostafrika mit einem Spielresultat: Nach dem Abpfiff gibt es einen Gewinner und einen Verlierer, und in diesem Fall ist die EAC der Verlierer. Die herrschende globale Arbeitsteilung wird festgeschrieben, staatliche Einnahmen fallen weg, lokale Produktionszweige sind negativ betroffen, die regionale Integration wird zurückgeworfen. PolitikerInnen aus Ostafrika verwiesen auf die Schwierigkeit, sich dem politischen Druck der EU zu entziehen. Der Anspruch auf Gleichberechtigung und die immer wieder beschworene „Entwicklungsorientierung“ der EPAs wurden so desavouiert.

Diesem Bild wurde von Vertreterinnen der Europäischen Kommission widersprochen, die ihrerseits auf viele Ausnahmen für sensible Güter, lange Übergangsfristen oder den Verzicht der Exportförderung von landwirtschaftlichen Gütern von Seiten der EU verwiesen. Mit diesem Abkommen hätten die EAC-Länder quasi einen «Rolls Royce» bekommen, im Grunde dasselbe Gefährt, das auch die osteuropäischen Länder bekommen hätten.

Unpacking the EPAs – der Teufel steckt im Detail

Ging es in den vergangenen Jahren um die Verhinderung der EPAs, steht ab jetzt nach Auffassung der TeilnehmerInnen die Reduzierung der möglichen Auswirkungen und vor allem einer kritischen Begleitung im Mittelpunkt – sowohl durch die afrikanische und europäische Zivilgesellschaft als auch durch Parlamente, wie Hon. Rwabuhoro (MP Uganda) und Hon. Kitandula (MP Tansania) ausführten. Dabei kommt der Zivilgesellschaft die Aufgabe zu, die EPAs für Entscheidungsträger zu "entpacken" und so eine kritische Begleitung zu ermöglichen. Die Chancen, eine Ratifizierung auf Ebene der ostafrikanischen Staaten zu verhindern, werden als eher gering eingeschätzt.

Von StopEPA zu StopTTIP

Ihr vornehmliches Ziel hat die StopEPA-Kampagne nicht erreicht, die Verhinderung der Abkommen – das wurde selbstkritisch eingeschätzt. In den Jahren 2008/2009 erreichte die Kampagne ihren Höhepunkt und fiel danach in Europa weitgehend in sich zusammen. Ob dies an einer euro-zentristischen Position liegt, der lange EPA-Verhandlungsprozess einfach zu einer Ermüdung führte oder aber die Kampagne zum Erliegen kam, weil die breite Bevölkerung von den Auswirkungen nicht betroffen ist, blieb offen. Dennoch wurde es als Erfolg gewertet, den Abschluss mehrere Jahre hinausgezögert zu haben, wie Samuel Kasirye (RLS Tansania) betonte. Davon kann eine StopTTIP-Kampagne viel lernen. Über eine mediale Herausstellung der Gefahren muss die Öffentlichkeit mobilisiert werden. Und es kommt darauf an, PolitikerInnen mit Argumenten zu erreichen, wie Francisco Mari (Brot für die Welt) betonte.

Während die EPAs praktisch ohne öffentliche Aufmerksamkeit unterschrieben wurden, erregt TTIP hingegen hohes Interesse in Medien, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit. Die TTIP-Kritik muss umfassend geführt werden, schließlich sind Regionen wie bspw. Ostafrika, obwohl das geplante Freihandelsabkommen sie nicht explizit einbezieht, betroffen. So erwartet Jane Nalunga (SEATINI Uganda) zurückgehende Exporte aus Ostafrika. Daneben äußerte sie die Angst, dass TTIP als Blaupause für weitergehende Handelsliberalisierungen verwendet wird.

Mit oder ohne Alternativen?

Gerungen wurde vor allem um «Alternativen». Die Handelsproblematik ist zutiefst ins neoliberalen System eingebettet. Deshalb stellt sich nicht die Frage, wie lange gegen EPAs Widerstand geleistet werden kann, sondern, worin die Alternativen bestehen – so der Tenor. Eine alternative (Handels)Politik muss die Menschen- oder Konsumentenrechte berücksichtigen und  politische Partner als gleichberechtigt anerkennen. Mit Rückblick auf die EPA-Verhandlungen blieben die Alternativen noch zu unklar – zwar wurde gesagt, was nicht gewollt ist, aber ein Gegenentwurf kaum konzipiert. Vielleicht weil die Alternative zu den EPA-Verhandlungen stets deren Scheitern war.

Noch ist der EPA-Zug nicht abgefahren. Ob es doch noch durch nationale Parlamente in Ostafrika verzögert werden kann oder wie eine kritische Begleitung erreicht werden kann, werden die nächsten Monate zeigen. Daneben wird sich zeigen, ob in Afrika für eine kritische Betrachtung von TTIP mobilisiert werden kann.

Die Veranstaltung «Free Trade at the Crossroads» wurde gemeinsam von den RLS Büros Brüssel und Ostafrika organisiert.