Pressemeldung | Verschwörungserzählungen, Demokratie, Handlungsoptionen

Wie mit Verschwörungserzählungen umgehen?

Ein Deckmantel der Anonymität liegt über dem Austausch in der Internet-Öffentlichkeit und die Verbreitung von Propaganda ist demokratisiert. Der Flut an Falschmeldungen und Verschwörungsmythen begegnet man allerdings am besten mit Argumenten. Hier sind einige Behauptungen von "Coronaleugnern" und Erwiederungen gesammelt:


1. Behauptung: "Willkommen in der Corona-Diktatur" 

Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid19 und die dadurch entstandene Krise verunsichern viele Menschen. Arbeitslosigkeit, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Schließung von Kultureinrichtungen, Besuchsverbote in Pflegeheimen… bieten Anlass genug.

Das Infektionsschutzgesetz erlaubt Behörden Notwendiges tun, um die Verbreitung einer Pandemie zu verhindern, um Maßnahmen zum Schutz vor einer Erkrankung an Covid19 zu ergreifen. Somit sind die aktuellen Einschränkungen, auch wenn sie teilweise sehr drastisch sind, mit unseren Grundrechten vereinbar. Allerdings: Sie müssen in den Parlamenten diskutiert und beschlossen werden. Und auch in Zukunft überprüft und sobald wie möglich rückgängig gemacht werden.

Klar ist - Kritik und Proteste gegen Grundrechts- Einschränkungen sind berechtigt. Sie sind wichtig für eine funktionierende Demokratie.  Jedoch darf kein Raum für Verschwörungsmythen und rechter Hetze gegeben werden. Auch über die Wege zur Bekämpfung von Covid19 muss gestritten werden.Eine linke Kritik muss zudem für eine solidarische Verteilung der Krisenkosten streiten.

Die radikale Rechte, Reichsbürger und Corona-Leugner*innen versuchen die Unsicherheiten vieler Menschen ausnutzen und verbreiten immer wieder Fake News und Verschwörungsmythen. Eine sachliche Auseinandersetzung ist kaum möglich.

Im Bundestag ist kein „Ermächtigungsgesetz“ beschlossen und keine Diktatur errichtet. Diese Begriffe verharmlosen tatsächliche Diktaturen und den Nationalsozialismus. Meinungsfreiheit, Wahl- und Demonstrationsrecht wird in der BRD nicht unterdrückt. Dieses Gerede verhöhnt  Menschen, die sich in vielen Ländern der Welt für ihre Rechte einsetzen dafür Haft, Folter und Tod in Kauf nehmen oder davor fliehen müssen. (Veröffentlicht am 29.01.21)

2. Behauptung: "Jede Influenza-Grippe [ist] weit gefährlicher" -Attila Hildmann

Pfleger*innen und Ärzt*innen sind am Rande ihrer Kräfte, die Betten auf den Intensivstationen bleiben knapp. Kultur, Gastronomie, Tourismus und andere Bereiche befinden sich seit Monaten im Lockdown. Das alleine zeigt, dass ein Gleichsetzen von Covid19 mit der Grippe in die Irre führt. Selbst bei der besonders harten Grippewelle 2017/18 starben daran in der BRD „nur“ 25.100 Personen. Covid19 fielen bis jetzt über 60.000 Menschen zum Opfer. Weltweit über 2 Millionen!

Die Grippe ist eine uns bekannte Krankheit. Jährlich werden wirksame Impfstoffe entwickelt und wir kennen den Verlauf und können diesen einschätzen. Bei Covid 19 ist das nicht der Fall. Viele daran Erkrankte bekommen kaum oder wenige Symptome. Andere haben erhebliche Langzeitfolgen und Schädigungen, die noch weitestgehend unerforscht sind. Auch die Hoffnung bringenden Impfstoffe sind bisher nur für bestimmte Personengruppen zugänglich.

Seit dem Beginn der Pandemie beklagen wir in der BRD 60.634 Opfer (5.2.2021). Und ein Punkt ist entscheidend: Niemand kann genau schätzen wie hoch die Todeszahlen wären, wenn sich das Virus ohne Eindämmunsmaßnahmen verbreiten würde. Klar ist aber auch die Maßnahmen: Abstand halten, vermehrtes Händewaschen, Maske und Lockdown reduziert auch  die Anzahl der Grippe-Infektionen im letzten Jahr. Sicher, die Todesfälle, die mit oder an dem Corona Virus gestorben sind, werden nicht getrennt voneinander behandelt. Eine Obduktion von 154 Corona-Toten hat jedoch gezeigt, das in 82% der Fälle Covid19 die ausschlaggebende Todesursache war.

Manche sagen, die oft sehr alten Personen wären ohnehin bald gestorben. Durchschnittlich beträgt die verlorene Lebenszeit aller an C19 Verstorbenen allerdings 10 Jahre. Wer das ignoriert und das Leben gering schätzt, kann gerne früher gehen. (Veröffentlicht am 05.02.21)

3. Behauptung: „Das sind nicht alles Nazis“

Es gibt ausreichend gute Gründe, um gegen die Grundrechtseinschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie zu protestieren. Die weitgehende Nicht-Beteiligung des Parlaments, das Chaos bei Impfstoffbeschaffung und –Verteilung, das fahrlässige Herangehen an den Unterricht in den Schulen usw. Es stimmt natürlich: Es sind nicht alles Nazis. „Wer Demonstrierenden pauschal als Nazis zu verunglimpft, bedient Kalkül der Rechtsextremisten.“ (Georg Restle)

Trotzdem: Die Bilder von „Corona-Demonstrationen“ erschrecken uns nicht nur weil keine Masken getragen werden, kein Abstand eingehalten und die unnötigen Fahrten quer durchs Land als persönliche „Freiheit“ über den notwendigen Gesundheitsschutz von vielen gestellt wird.

Bei den Demos tragen immer wieder Coronaleugner*innen und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen KZ-Hemden oder Judensterne mit der Aufschrift "ungeimpft". Sie setzen sich mit Verfolgten des Nationalsozialismus gleich. Damit relativieren sie die Verbrechen des Naziregimes, den Terror und die Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden. Sie verhöhnen das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus.

Nachgereichte, halbherzige und unglaubwürdige Distanzierungen von Michael Ballweg (Gründer der Querdenk Bewegung) gegenüber radikal rechten Demonstranten*innen kommt zu spät. Denn die Personen sind bekannt, Neonazis die schon bei „Merkel Muss Weg“ demonstrierten, vernetzten sich auch auf diesen Demonstrationen und es wird versucht Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen zu vereinnahmen.

Wer wegen seiner berechtigten Kritik an der aktuellen Krisenpolitik protestiert muss sich von Nazis distanzieren und nicht gemeinsam mit ihnen demonstrieren! Gemeinsame Demos schaffen Raum für radikal rechte Ideologie, Hetze und Spaltung der Bevölkerung!  (Veröffentlicht am 12.02.21)

4. Behauptung: "Mit Maske schaden wir unserem Immunsystem" -Walter Weber

Das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat 735 Sterbefälle im Zusammenhang mit Covid-19 untersucht. Nur 7 % sind „mit“ Covid-19 gestorben – 93 % sind „an“ dem Corona Virus verstorben. Und ja, ein überwiegender Teil der Untersuchten hatten Vorerkrankungen und war relativ alt.

 Walter Weber, Hamburger Arzt und Mitinitiator der sogenannten „Ärzte für Aufklärung“ meint jedoch, das Masken zum Schutz vor Corona überflüssig seien. "Sie brauchen einen normalen Austausch mit Viren und Bakterien, um ein Immunsystem zu haben". "Dadurch, dass wir uns mit dieser Maske schützen, schaden wir unserem Immunsystem."

 Die Positionen der Coronaleugner*innen sind widersprüchlich und tragen zur Verwirrung bei: Einerseits würden Masken nicht helfen, weil sie zu durchlässig sind. Andererseits wären sie nicht nichtdurchlässig genug, es würde sich zu viel Kohlenstoffdioxid unter der Maske sammeln und dadurch eine Vergiftung drohen. Beides völlig unbegründet solange die Person nicht an einer schweren Atemwegserkrankung leidet.

 Es stimmt, obwohl längst überholt meinte auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen noch Ende März, eine Maskenpflicht wäre nicht sinnvoll. Warum ist er noch im Amt?

 Wichtig ist: Masken tragen! Und damit sie wirklich helfen: richtig tragen! Nur mit sauberen Händen auf- und absetzen und während des Tragens nicht anfassen. Ansonsten besteht tatsächlich die Gefahr, dass man über die getragene Maske die Viren weiterverbreitet, sich selbst oder andere infiziert.

 Die UKE-Studie zeigt erneut, dass wir die Menschen der Risikogruppe besser schützten müssen. Wenn wir das durch das Tragen der Maske können, dann sollten wir das tun. Masken tragen heißt Solidarisch sein!                      (Veröffentlicht am 19.02.21)

5. Behauptung: "Bill Gates wird Mikrochip-Implantate verwenden, um das Coronavirus zu bekämpfen" -Biohackinfo News, 19. März 2020

Coronaleugner*innen weisen auf die Bill and Melinda Gates Foundation (BMGF) und ihren Einfluss in der globalen Gesundheitspolitik hin. Die Stiftung wolle Panik verbreiten und Angst machen vor dem Corona-Virus, damit sie ein weltweites Zwangsimpfungsprogramm installieren kann. Diese populäre Verschwörungserzählung wird dann noch mit der jeweils eigenen rechten oder antisemitischen Agenda angereichert.

Nachdem die USA unter Trump wegen deren angeblich zu China-freundlichen Haltung aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausschied, konnte die Gates-Stiftung zum maßgeblichen Financier der WHO aufsteigen. Sie zahlt seit Jahren fast ein Zehntel des WHO-Etats. Während der Pandemie erhöhte die Stiftung ihren Beitrag um weitere 150 Millionen Dollar.

Das Problem dabei ist: Die Geldgeber entscheiden mit welche Projekte finanziert werden. Denn private Spenden werden projektbezogen vergeben. So auch bei der Gates-Stiftung, deren Spenden für die Erforschung von Infektionskrankheiten eingesetzt werden.

Damit stellt sich zu Recht die Frage nach ihrem Einfluss auf gesundheitspolitische Entscheidungen und nach der Unabhängigkeit der WHO. Denn Maßnahmen, die kurzfristige Ergebnisse aufzeigen, sind ideal für die Außenwirkung von privaten Spendern. Allerdings leiden darunter die langfristigen Projekte der WHO.

Das Problem besteht nicht nur bei Bill Gates und seiner Stiftung. Dies ist nur das Paradebeispiel für die strukturellen Probleme der WHO vorliegen: Es braucht eine viel stärkere Finanzierung durch die Mitgliedsstaaten und strengere Regeln zur Unterbindung von Einflussnahme privater Spenden um eine unabhängige globale Gesundheitspolitik durchführen zu können. (Veröffentlicht am 26.02.21)