Publikation Kultur / Medien - Bildungspolitik Eltern und Kinder unter Druck

Beiträge zur Auseinandersetzung um die Primarschule von Dora Heyenn, Jan Feddersen, Klaus Bullan, Kay Beiderwieden. Hamburger Skripte 20/2010.

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Reihe

Online-Publ.

Erschienen

Mai 2010

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Volksentscheid für die Primarschule

Einleitung von Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft

Schule ist ein Dauerthema, nicht nur in den Familien - auch in der Politik. In Hamburg haben wir eine jahrzehntelange zermürbende Auseinandersetzung erlebt, in der es immer darum ging, ob das Gymnasium besser ist als die Gesamtschule oder nicht.

Bessere Schulen, das war es, was immer angestrebt wurde. Die Fakten liegen auf der Hand:

  • fast 10% eines Jahrgangs verlässt die Hamburger Schulen ohne Abschluss
  • über 7.000 Jugendliche erhalten nach der Schule keinen Ausbildungsplatz und landen im Übergangssystem ohne Aussicht auf eine berufliche Perspektive.
  • In PISA-Studien lag Hamburg immer ganz hinten.
  • Kinder mit mindestens einem Akademiker-Elternteil haben – bei gleicher Leistung! - eine 4,5 x höhere Chance als Kinder, deren Mutter und Vater keinen Hochschulabschluss haben.
  • Kinder und Jugendliche aus einem Elternhaus mit Migrationsbiografie werden besonders häufig benachteiligt und davon insbesondere Jungen.

Das Problem, dass die soziale Herkunft entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg in der schulischen Laufbahn ist, kennt man schon lange. Viele kleine „Reformen“ wurden auf den Weg gebracht – aber das Problem wurde nicht an der Wurzel gepackt. Jetzt wird versucht das Schulsystem in Richtung Integration statt Selektion zu ändern, und zwar mit der Verlängerung der 4-jährigen Grundschule zur 6-jährigen Primarschule.

Die Initiative WWL prangert es als „Zwang“ an und vergleicht es mit totalitären Systemen und nennt es autoritär. Das geht entschieden zu weit und ist politisch unanständig. Einen zwischenzeitlich getroffenen Vergleich mit dem Schulsystem der Nationalsozialisten musste Herr Scheuerl auch öffentlich zurücknehmen. Aber die Methode bleibt. Es soll der Eindruck erweckt werden, als könnten wir sonst alles frei wählen, was nun wirklich nicht der Fall ist. Es gibt den „Zwang“ in die Schule zu gehen, das nennen wir Schulpflicht und es war eine große soziale Errungenschaft. Es gibt den „Zwang“ Steuern zu zahlen, wenn das alle ausreichend im Verhältnis zu ihrem Einkommen machen, dann nennen wir das Steuergerechtigkeit. Es gibt den „Zwang“ Krankenkassenbeiträge zu zahlen. Wenn sie progressiv und je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden, nennen wir das Solidarität.

Nur durch die verbindliche und flächendeckende Einführung der 6-jährigen Primarschule ist mehr Bildungsgerechtigkeit und der Einstieg in längeres gemeinsames Lernen zu erreichen. Am 18. Juli gibt es dazu einen Volksentscheid – und alles worüber wir abstimmen sind 4 oder 6 Jahre gemeinsames Lernen mit der Entscheidung der Eltern für die weiterführende Schule.

Inhalt:

  • Dora Heyenn: Einleitung
  • Jan Feddersen: Klassenstatusgier der Lifestylelinken
  • Klaus Bullan: Eltern & Kinder unter Druck. 185.000 Stimmen gegen die Schulreform in Hamburg – woher kommen die?
  • Jan Feddersen: Mit Tacitus gegen die Türken?
  • Kay Beiderwieden: Empirische Studien zum Elternwahlrecht

Wir danken den AutorInnen sowie der Zeitschrift SOZIALISMUS für die Abdruckrechte ihrer Texte.