Nachricht | Aktionsprogramm „Schule gestaltet politische Bildung“

Die Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg bietet Schulprojekttage an, die über Mittel aus dem Aktionsprogramm „Schule gestaltet politische Bildung“ finanziert werden können.

Die Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg bietet zwei thematische Schulprojekttage an:

  • Projekttag „Woher kommen Reichtum und Armut in unserer Welt?“
  • Projekttag „Sinti und Roma – verfolgt in der NS-Zeit, ausgegrenzt bis heute – der lange Kampf gegen Antiziganismus“

Beide Projekte können bei uns gebucht und entweder über regulär vorhandene Mittel in den Budgets der Schulen oder aber über Mittel aus dem Aktionsprogramm „Schule gestaltet politische Bildung“ der Landeszentrale für Politische Bildung finanziert werden.

Aktueller Förderzeitraum ist das Schuljahr 2024/25 und 2025/26. Nächsten Stichtag für die Antragsstellung ist der 26. April 2024. Jede Maßnahme kann mit bis zu 5.000 Euro finanziert oder bezuschusst werden.

Ansprechpartnerin für die Beantragung ist Frau Melanie Braun, Programmkoordination „Schule gestaltet politische Bildung“ bei der Landeszentrale für politische Bildung: melanie.braun@bsb.hamburg.de

Bei inhaltlichen Rückfragen zu unseren Projekten und bei Buchung unserer Projektage nehmen Sie bitte den Kontakt zur Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg auf:

Über Email: projekttag@rls-hamburg.de oder telefonisch unter: 040-2800370

Die Projekttage im Detail:

Projekttag „Woher kommen Reichtum und Armut in unserer Welt?“

Fragen nach der Verteilung des Wohlstandes und der Folgen, der offensichtlich ungleichen Verteilung, sind wieder verstärkt in den Blick des öffentlichen Interesses und der politischen Auseinandersetzung gerückt. Soziale und ökonomische Ungleichheit sind globale Phänomene, was neue Studien immer wieder belegen. Anfang dieses Jahres meldete die Hilfsorganisation Oxfam, dass extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen hätten und das reichste Prozent der Weltbevölkerung seinen Reichtum massiv steigerte.

Für Deutschland ergibt sich das gleiche Bild: Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über 50% des gesamten Nettovermögens in Deutschland. Die Hälfte der Haushalte in der Bundesrepublik gilt als „vermögensarm“. Ihr Anteil am Nettovermögen betrug laut Bundesbank 2021 nur 1,2 Prozent. Entsprechend stellte der DGB 2021 fest: Die Einkommensarmut ist kein Randphänomen, sondern stellt ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Derzeit gilt jede:r Sechste als einkommensarm. Im Jahr 2022 nutzten 1,1 Millionen Menschen die Angebote der Tafeln, seitdem melden sie eine Überlastung aufgrund der hohen Nachfrage.

Die reichsten Deutschen, die Familie Reimann, Beate Heister und Karl Albrecht jr. von Aldi Süd, Klaus-Michael Kühne oder Dieter Schwarz, werden kaum in den Schlangen der Bedürftigenspeisung gesehen werden. Ihre Stimmen, so sie sich denn in die Öffentlichkeit begeben, finden schnell Gehör und Zugang in den Medien. Ihr Reichtum steigt und steigt – ist es ihr privater Verdienst, ihr Fleiß oder gar ihre Gier, die sie reich macht und reicher werden lässt?

Oder liegt nicht viel mehr eine wesentliche Ursache in unserer Wirtschaftsordnung der Reiche wie Arme, Arbeitgeber:innen wie Arbeitnehmer:innen unterworfen sind? Wie funktioniert ein wirtschaftliches System, das landläufig als ‚Kapitalismus‘ bekannt ist? Die Mythen und Bilder sind vielfältig. Dass Arbeiternehmer:innen und Arbeitgeber:innen in zentralen Fragen Interessensgegensätze haben und Interessenskonflikte austragen, kann jeder Mensch mit Eintritt in die Arbeitswelt unmittelbar erfahren.

Doch sind es die Spieler:innen in dem Spiel, die den Reichtum der Einen und die Armut der Anderen verantworten, oder sind es die Regeln des Spiels?

Der Workshop beruht auf den erprobten Bildungsmaterialien „The Winner Takes it All?“[1] und „Kapitalismus für Einsteiger:innen“[2]. Ihre Erarbeitung, Erprobung und ihr Einsatz auch im Bereich der schulischen wie außerschulischen Bildung wurden zum einen von Brot für die Welt, der AWO, dem Bildungsjugendwerk der AWO und Epiz Globales Lernen in Berlin und zum anderen durch die Rosa Luxemburg Stiftung gefördert.

Beide Materialienpakete folgen dem Beutelsbacher Konsens, der richtungsweisend für politische Bildung, auch in Schulen, ist.

Der Workshop soll Schüler:innen der Klassenstufen 9 und 10 sowie Schüler:innen der beruflichen Schulen ansprechen und ist für die Personenzahl einer Klasse ausgerichtet.

Der A-Teil der Hamburger Bildungspläne stellt im Bereich 3.2 Bildung für nachhaltige Entwicklung schon selbst heraus, dass in unserer Gesellschaft eine „Entwicklung von Arm und Reich“ vorzufinden ist. Die Ausrichtung auf eine nachhaltige Entwicklung geht über ökologische Fragen hinaus, und „bedeutet, Aktivitäten in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt an den Kategorien der Zukunftsfähigkeit und Gerechtigkeit auszurichten.“ Durch Bildung für nachhaltige Entwicklung sollen Schüler:innen „in die Lage versetzt und zugleich motiviert werden,“ entsprechend der Prämissen von einem gerechten und gleichberechtigten Zugang zu planetarischen Ressourcen, „zu handeln.“

Konkret heißt es in den Bildungsplänen für Politik/Gesellschaft/Wirtschaft an Stadtteilschulen Jahrgangsstufen 7-11 bzw. am Gymnasium Sekundarstufe I: „Die Schülerinnen und Schüler erwerben Einsichten in gesellschaftliche Strukturen und Prozesse. […] [Sie] reflektieren ihre eigene Rolle als Wirtschaftssubjekte, v. a. also als Konsumenten. […] Ökonomische Bildung unterstützt die Schülerinnen und Schüler bei der Planung ihrer Lebensentwürfe und dabei, sich den Herausforderungen des technischen und ökonomischen Strukturwandels aktiv zu stellen. […] Die Schülerinnen und Schüler erkennen die internationale Dimension politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns. Sie lernen, dass Entscheidungen auf der regionalen, nationalen und europäischen Ebene nicht nur miteinander verflochten sind, sondern zunehmend auch durch internationale Interessen und Entwicklungen beeinflusst werden. Sie erfahren, dass angesichts globaler Probleme und Konflikte globale Lösungswege gesucht, entsprechende Institutionen geschaffen und Vereinbarungen getroffen werden müssen.“

Die Schüler:innen werden mithilfe von verschiedenen kreativen und partizipativen Methoden wie Planspielen, Plenumsdiskussionen, Kleingruppen, SMS-Umfragen und der Erstellung von Schaubildern in den Workshop miteinbezogen.

Die Methodenvielfalt des Projekttags öffnet die Möglichkeit, in verschiedenen Settings hinsichtlich der in den P/G/W-Bildungsplänen festgehaltenen überfachlichen Kompetenzen Wirkung zu entfalten sowie in der Auseinandersetzung um Armut und Reichtumsbildung die fachlichen Kompetenzen – sozialwissenschaftliche Analysefähigkeit, Perspektiven- und Rollenübernahme, Konfliktfähigkeit, politisch-moralische Urteilsfähigkeit und Partizipationsfähigkeit – zu stärken.

Didaktisch zielt der Projekttag darauf, den Schüler:innen anhand eines spezifischen Inhalts den Raum zu eröffnen, auf ihre erworbenen/im Erwerb befindlichen Kompetenzen bei der Bewältigung der Anforderungssituation der Aufgabenstellung des Projekttags zu nutzen. Durch den thematischen Zuschnitt auf ökonomische Ungerechtigkeit und ihre gesellschaftlich-strukturelle Entstehung und Fortführung, fügt sich der Projekttag in das Ziel der Bildungspläne, die Schüler:innen durch „die Beschäftigung mit politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen und Prozessen“ […] zur aktiven Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben [zu] befähigen.“

Als zeitlicher Umfang sind knapp sieben Zeitstunden inklusive Pausen angesetzt.

Der Ablauf könnte wie folgt aussehen

  • Begrüßung und Einführung/Erwartungen (20 Min)
  • Plenumsgespräch: Der reichste Mensch (15 Min)
  • SMS-Umfrage „Was tun gegen ökonomische Ungleichheit“  (5 Min)
  • Plenumsgespräch mit Visualisierung: Reiche Menschen der Welt (10 Min - Pause 10‘)
  • Planspiel Unsere Wirtschaftsordnung: Kapitalismus  (120 Min - Pause 60‘)
  • Aufstellung: Entwicklung der Einkommensverteilung in Dtld. (30 Min)
  • Kleingruppenarbeit: #unten (30 Min - Pause 15‘)
  • Kleingruppenarbeit: Ideen für eine gerechtere Welt  (40 Min)
  • Feedback und Abschluss (20 Min)
  • Puffer (30 Min)

Die Kosten belaufen sich auf €1.400.

Zur Durchführung ist es an diesem Tag nötig, dass die Schüler:innen ihre Mobiltelefone mitbringen und zur Absetzung einer Textnachricht nutzen können.

Es wäre wünschenswert auf eine Reihe schulischer Verbrauchsmaterialien wie Papier, Stifte und Schere zurückgreifen zu können.

PDF-Download: Konzept Projekttag „Woher kommen Reichtum und Armut in unserer Welt?“

Projekttag: "Sinti und Roma – verfolgt in der NS-Zeit, ausgegrenzt bis heute – der lange Kampf gegen Antiziganismus"

Sinti und Roma[1] sind seit dem 16. Jahrhundert als Minderheit in Europa urkundlich erwähnt. Sie wurden als fremde Reisende verfolgt und ausgegrenzt. In Westeuropa leben seit vielen Jahrhunderten Sinti-Familien, in Ost- und Südosteuropa leben überwiegend Roma. Sie wurden zusammen mit Gruppen wie den Jenischen im Rahmen der NS-Rassenideologie unter dem abwertenden Zuschreibungsbegriff „Zigeuner“ erfasst, gesammelt, deportiert und ermordet.

„Die Unabhängige Kommission Antiziganismus stellt fest, dass aufgrund der historischen und empirischen Befunde Antiziganismus als ein eigenständiges Macht- und Gewaltverhältnis zu qualifizieren ist. Antiziganismus hat sich in einer jahrhundertelangen Geschichte herausgebildet und zu Ausprägungen geführt, die sich von anderen Formen rassistischer Diskriminierung deutlich unterscheiden. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung ist nicht zuletzt aufgrund des an [Sinti und Roma] begangenen nationalsozialistischen Völkermords sowie der sogenannten Zweiten Verfolgung nach 1945 in der Bundesrepublik evident.“[2]

Die Kenntnisse über die Geschichte und Lebensrealität der Sinti und Roma sind in Deutschland nach wie vor lückenhaft und insgesamt gering. Durch Aufklärung, Information und Angebote zur individuellen Identifikation soll nicht nur das Wissensdefizit verringert werden, sondern auch die Möglichkeit geschaffen werden, einen Perspektiv- bzw. Haltungswechsel gegenüber der Minderheit bei den Schüler*innen anzustoßen.

Die Verfolgung der Sinti und Roma während der NS-Zeit ist bisher in geringem Umfang Bestandteil der Hamburger Lehrpläne. Allerdings erarbeitet die Stadt Hamburg im Auftrag der Bürgerschaft zurzeit eine Hamburger Strategie gegen Antiziganismus, die weitergehende Forderungen an die Vermittlung der Geschichte und Gegenwart der Minderheit in den Schulen enthalten wird.

Der Projekttag richtet sich an Schüler*innen ab Jahrgangsstufe 11 und ist für die Personenzahl einer Klasse ausgerichtet.

Die Schüler*innen werden mithilfe von verschiedenen kreativen und partizipativen Methoden wie Zeitstrahl-Spiel, Plenumsdiskussionen, Kleingruppen und der Erarbeitung von Quellentexten in den Projekttag miteinbezogen. Daneben stehen Teile mit Frontalvortrag und Filmvorführung.

Durch die Verwendung von Quellentexten insbesondere aus dem Buch „Zwei Welten“[3], Interviewsequenzen und Selbstzeugnissen werden den Schüler*innen einerseits zahlreiche Informationen „aus erster Hand“ vermittelt, andererseits handelt es sich vor allem um Dokumente von Lebens- und Leidenserfahrungen einzelner Personen, die helfen von der abstrakten Betrachtung einer Gruppe zur empathischen Identifikation mit dem Individuum zu gelangen.

Vom Landesverein der Sinti in Hamburg werden je nach personeller Verfügbarkeit ein bis zwei Referent*innen gestellt. Die Referent*in kann sowohl eine Angehörige Minderheit sein als auch eine Angestellte des Landesvereins aus der Mehrheitsgesellschaft. Diese Rollen werden jeweils bei der Auswahl der biografischen Angebote berücksichtigt.

Als zeitlicher Umfang sind knapp sieben Zeitstunden inklusive Pausen angesetzt.

Der Ablauf könnte wie folgt aussehen:

  • Selbstvorstellung Referent*in – Herstellung eines persönlichen Bezugs zum Thema
  • Vorstellungsrunde unter Berücksichtigung einer zum Thema hinführenden Leitfrage
  • Zeitstrahl-Spiel – Chronologische Ordnung von Ereignissen aus der Geschichte der Sinti und Roma
  • Input Historischer Überblick
  • Film „Wir haben doch nichts getan“
  • Diskussion zum Film

Pause

  • Input: Der Völkermord an den Sinti und Roma unter Bezugnahme auf den Film und das anschließende Gespräch
  • Diskussion
  • Input: Die Geschichte von Rigoletto Weiß
  • Diskussion

Pause

  • Gruppenarbeit mit Grafic Novel „Oh Porajmos!“
  • Diskussion
  • Optional nach Zeit- und Diskussionsverlauf: Quellenarbeit „Jorkim Kirsch“
  • Diskussion

Pause

  • Input Bericht UKA
  • Gruppenarbeit Bericht UKA
  • Input: Tageszusammenfassung
  • Abschlussdiskussion

Die Kosten für den Projekttag belaufen sich auf €1.200.

Der Projekttag wird in Kooperation mit dem Landesverein der Sinti in Hamburg angeboten.


[1] Die jüngst vermehrt verwendete Bezeichnung „Sint:ezze und Rom:nja“ nimmt den Trend der gendergerechten Sprache auf. Allerdings handelt es sich bei den verwendeten Begriffen „Sinti“ bzw. „Roma“ und den entsprechenden Pluralbildungen eben nicht um gängige – wie in der deutschen Sprache – eindeutig männliche Wörter, sondern um Konstruktionen aus Elementen einer nicht deutschen Sprache, die zahlreiche Varianten für Genus und Numerus beinhaltet. Hier mit wissenschaftlicher Eindeutigkeit die „korrekte“, gendergerechte Ableitung zu bilden, gleicht nur allzu sehr der im Folgenden beschriebenen Haltung der Mehrheitsgesellschaft, der Minderheit ihre Sicht der Welt (ausgedrückt durch Sprache) überzustülpen. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Bezeichnungen „Sinti“ und „Roma“ in dieser Form verwendet. Diskriminierende Bezeichnungen wie „Zigeuner“ erscheinen selbstverständlich nur als Quellenbegriff in Anführungszeichen. Vgl.: Weiß, Arnold/Michelsen, Jakob/Terfloth, Moritz/Weinrich, Boris: Zwei Welten. Sinti und Roma – Schritte zur Anerkennung als NS-Verfolgte und antiziganistische Kontinuität. Herausgegeben vom Landesverein der Sinti in Hamburg e. V., Berlin: Metropol 2022, S. 18.

[2] UKA: Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation. Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, 2021. www.bundesregierung.de/breg-de/suche/perspektivwechsel-nachholende-gerechtigkeit-partizipation--1944614.

[3] Weiß, Arnold/Michelsen, Jakob/Terfloth, Moritz/Weinrich, Boris: Zwei Welten. Sinti und Roma – Schritte zur Anerkennung als NS-Verfolgte und antiziganistische Kontinuität. Herausgegeben vom Landesverein der Sinti in Hamburg e. V., Berlin: Metropol 2022. Zu beziehen über die Landeszentrale für Politische Bildung Hamburg.


Die Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg ist Mitglied von Weiterbildung Hamburg und seit 2011 als Träger politischer Bildung in Hamburg von der Landeszentrale für politische Bildung anerkannt.