An einer Gedenkstättenfahrt teilzunehmen, heißt, sich Orte des Holocausts anzusehen, um sich die Geschichte und die Tragweite der Geschehnisse‚ vor Augen zu führen. Doch was ist, wenn die Geschichte im Laufe der Zeit von anderen Geschichten überschrieben wurde? Was bleibt dann an diesen Orten überhaupt sichtbar?
Als Gruppe von etwa dreißig Leuten haben wir uns im Rahmen der Jugendgedenkstättenfahrt auf den Weg gemacht, um in Ostpolen mehr über die vergessenen Mordlager des Holocausts zu erfahren. Unsere Reise war geleitet von Steffen Hänschen vom Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. sowie von Anika Taschke von der Rosa-Luxemburg Stiftung. Organisiert wurde sie von der Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg in Kooperation mit dem Jugend- und Stadtteilhaus Tesch. Zudem wurde eine finanzielle Förderung aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH (IBB) realisiert.
Majdanek (18.07.2023) […] Heute vermitteln die grünen Wiesen samt dem Rosenbeet am Krematorium ein trügerisches Bild der Idylle, welches am Ende doch nicht trügen kann. Die grüne Wiese, unter der sich das Massengrab befand, ist topografisch leicht gewellt, so dass man noch heute erahnen kann, wo die Leichen übereinander aufgestapelt lagen.
Den Auftakt der Reise gab ein erstes Treffen und Kennenlernen am Samstag in der Stiftung in Berlin. Dort erhielten wir durch Steffen die erste inhaltliche Einführung in die Geschichte der „Aktion Reinhardt“. Am 20. Januar 1942 wurde bei der Wannseekonferenz offiziell die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, sprich die Er-mordung aller Jü:dinnen und Juden im Generalgouvernement, also in den polnischen besetzten Gebieten. Infolgedessen wurden in Ostpolen drei Mordlager errichtet; Bełżec, Sobibór und Treblinka. Benannt wurde die „Aktion“ später nach Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer und Hauptkoordinator des Treffens am Wannsee, welcher im April 1942 bei einem Attentat getötet wurde. Im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ wurden in den Jahren 1942 und 1943 ca. zwei Millionen Jüd:innen und Juden, sowie ca. 50.000 Rom:nja und Sinti:zze ermordet. Deren Besitzgüter und Wertgegenstände wurden umgesetzt, denn es ging den Nazis auch um eine ökonomische Ausbeutung ihrer Opfer; aber vor allem handelte es sich bei der „Aktion“ um eine der größten systematischen Tötungsaktionen des Holocausts.
Sobibór (21.07.2023) […] Auf noch engeren Wegen fahren wir weiter durch den Wald nach Zbreze zu dem vielleicht abgelegensten Ort der Reise. Ein unscheinbarer Gedenkstein erinnert an zwei hier erschossene, geflohene Häftlinge. Auf dem moosbedeckten Boden stehen bereits Kerzen, hier legen auch wir unsere Blumen ab und teilen zum letzten Mal auf dieser Reise einen Moment des Gedenkens.
Wir haben auf unserer Reise im Laufe einer Woche die Mordlager Majdanek, Bełżec und Sobibór sowie das Ghetto Lublin und das Transitghetto Izbica besichtigt. Nach unserem Aufenthalt in Berlin sind wir am Sonntag nach Lublin gereist. Von dort aus haben wir dann mit dem Bus einzelne Ausfahrten zu den jeweiligen Gedächtnisorten unternommen. Dabei folgten unsere Besuche oft einem bestimmten Ablauf. Sobald wir an den teilweise sehr abgelegenen Stationen der Reise angekommen waren, haben wir Steffen über Audiogeräte zugehört, wie er uns von den Geschehnissen vor Ort erzählt hat. Häufig schilderte er uns anhand von Biografien einzelner Personen eindrucksvoll und bildhaft die Umstände der Menschen in den Lagern und Ghettos. Teilnehmer:innen der Gruppe untermalten seine Schilderungen, indem sie Originalzitate betroffener und beteiligter Personen der Gruppe vorlasen.
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