4. Mai 2020 Diskussion/Vortrag FÄLLT AUS! LENIN neu entdecken!

Information

Veranstaltungsort

Klub im DGB-Haus HH
Besenbinderhof 62
20097 Hamburg

Zeit

04.05.2020, 19:00 - 21:00 Uhr

Themenbereiche

Arbeit / Gewerkschaften, Demokratischer Sozialismus, Gesellschaftstheorie, Kapitalismusanalyse, Wirtschafts- / Sozialpolitik

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FÄLLT AUS!  LENIN neu entdecken!

 

«Der Titel dieses hellblauen Bändchens «Lenin neu entdecken» ist sehr persönlich gemeint. Das, was ich hier vorlege, ist meine eigene Entdeckungsreise. Es ist über vierzig Jahre her, dass ich in Leningrad als Philosophiestudent in dem Internationalen Buchladen auf dem Newski-Prospekt die ersten der rund vierzig dunkelbraunen Bände der Lenin-Werke kaufte – jeden Band für rund einen Rubel. Im Laufe der Jahre hatte ich dann alle zusammen, auch die Briefbände. Bei Spezialseminaren an der Humboldt-Universität und in meiner Habilitation habe ich umfangreich auf einzelne Schriften dieser Werkausgabe zurückgegriffen.

Fast vierzig Jahre später aber, im Frühjahr und Sommer 2016, habe ich etwas nachgeholt: Ich habe die Werke und Briefe in einem Zuge chronologisch gelesen und umfangreiche Auszüge angefertigt. Auf dieser Materialbasis ist das vorliegende Büchlein entstanden. Ich wollte besser verstehen, wie Lenin dachte. Denn, wie Louis Althusser schrieb, «niemand (kann) leugnen, dass Lenin denkt, dass er systematisch und rigoros denkt» (Althusser 1974: 27). Er hat wie nur ganz wenige andere in der Weltgeschichte zwei Rollen untrennbar verschmolzen – die eines mit eisernem Willen eingreifenden Politikers und die eines strategisch- gesellschaftsanalytischen Denkers (Hill 1971: 162).

Ich habe versucht, Lenin vor allem zu verstehen, mich der Logik seiner Argumentation zu stellen, sie in ihrem Zusammenhang zu rekonstruieren. Ich ging und gehe davon aus, dass er aus tiefster sozialistischer Überzeugung gehandelt hat und aus dieser Überzeugung heraus bereit war, alle damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Diese Überzeugung wollte ich nachvollziehen und Konsequenzen verdeutlichen. Das Buch ist also weder eine Biografie noch eine Gesamtdarstellung von Lenins Werk oder dessen Einordnung in seine Zeit. Es ist der Versuch einer Rekonstruktion zentraler, strategisch relevanter Positionen aus dem Werk selbst heraus.

Beim Lesen der Werke und Briefe haben mich vor allem vier Fragen beschäftigt: Erstens wollte ich die strategische Eingriffskraft Lenins in der Russischen Revolution von 1917 verstehen, soweit sie durch sein eigenes Werk bedingt war. Deshalb habe ich mich im ersten Teil des Buches seiner Arbeit zwischen August 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, und dem Oktober 1917 zugewandt. Zweitens habe ich mich gefragt, wieso er so sehr auf dem bewaffneten Aufstand im Oktober 1917 bestand und bereit war, im Januar 1918 die frei gewählte Verfassungsgebende Versammlung aufzulösen. Drittens wollte ich verstehen, wie er sich den inneren Widersprüchen des sowjetischen Systems zu stellen suchte, wie es im Gefolge von Revolution und Bürgerkrieg entstanden war. Dabei sind die rasanten internationalen Entwicklungen der Jahre zwischen 1918 und 1922 mitzudenken. Viertens habe ich mich der Frage des Leninismus zugewandt. Dies ist weniger ein Blick auf Lenin, sondern auf das ideologisch-politisch-gesellschaftliche System, an dessen Entstehung er entscheidend mitgewirkt hat.»
Aus dem Vorwort «Lenin neu entdecken»

Michael Brie arbeitet als Referent für «Theorie und Geschichte des Sozialismus» am Institut für Gesellschaftsanalyse (IfG) der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Von ihm erschien 2015 das hellblaue Bändchen «Polanyi neu entdecken». Er gibt zudem bei VSA: die Reihe «Beiträge zur kritischen Transformationsforschung» heraus.

Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung.

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